Aufbrechen und ausbrechen …
Im Rahmen der Dienstagabend-Reihe “Wertvoll” stellte der St. Gallener Pfarrer Uwe Habenicht sein Modell einer “Freestyle-Religion” vor. Lesen Sie hier den Bericht von Barbara Waldvogel:
„Freestyle-Religion – Steine zum Sprechen und Glaube zum Klingen bringen“ – unter diesem Thema haben die Kirchen auf der Landesgartenschau in Wangen im Rahmen ihrer „Wertvoll-Reihe“ am Dienstag, 18. Juni 2024, eingeladen. Und viele kamen. Rund 200 Besucher fanden sich bei sonnigem Wetter bei der Argenbühne ein, um zu erfahren, was der evangelische Pfarrer und Gründer der St. Gallener Waldkirche, Uwe Habenicht, unter einer Freestyle-Religion versteht.
Nach dem musikalischen Auftakt von Saxophonist Christian Segmehl und den einführenden Worten von Pastoralreferent Benjamin Sigg sowie Pfarrerin Friederike Hönig war Habenicht an der Reihe. Doch wie wollte er Steine zum Sprechen bringen? Als der Ton einer Klangschale verklungen war, schickte er die versammelte Gemeinde an den Argenstrand. Dort sollte sich jeder einen Stein aussuchen, der ihm besonders passend schien. Zurück am Platz hieß es, den Stein genau zu betrachten, sein Bild ins innere Auge aufzunehmen, sich seine Geschichte auszumalen.
Nach dieser spirituellen Übung leitete Habenicht dann über in konkrete Beispiele, wie er etwa im Wald mit seiner Gemeinde neue Formen der Spiritualität sucht und auch findet. Ihm ist es ein Anliegen, dass Kirche aufbricht, aus alten Strukturen ausbricht und zu jener Leichtigkeit, Freude und Intensität findet, wie die Freestyler sie bei ihren herausfordernden sportlichen Übungen ausstrahlen.
Allerdings fügte er auch hinzu, dass es eben nicht ausreiche, nur in den Wald zu gehen und Bäume zu umarmen. Es brauche vielmehr Räume der Stille, genauso brauche es Räume für die Gemeinschaft, um miteinander das Leben zu teilen und zu feiern. Und es brauche die Bereitschaft, die Augen zu öffnen und tätig zu werden für die Welt. Religiosität lebe von den drei Bewegungen: in uns hinein, zu einander und zu anderen hin. Kirche ist nach seiner Wahrnehmung aber nur in einem oder zwei dieser Felder gut und sollte zu einem Gleichgewicht in allen drei Bereichen kommen.
Dass sich die Kirchengemeinden inzwischen auf den Weg machen und neue Formen der Verkündigung und Begegnung suchen und gehen, wurde auch angesprochen. Diakon Hendrik Lohse vom Fachbereich Kirche und Tourismus der Ev. Landeskirche in Württemberg sprach über seine guten Erfahrungen: etwa mit dem ein- bis zweiwöchigen Waldprojekt der badischen Landeskirche, bei dem sich Menschen mit einfachen Mitteln Baumhäuser bauen und in der Natur für ein paar Tage leben. Oder mit den Begegnungen mit Tieren der Bibel im Wildparadies Tripsdrill. Oder mit dem Pilgern, was Habenicht mit den Worten kommentierte: „Das ist etwas, das die katholische Kirche schon immer hatte und das uns verlorengegangen ist.“ Und Lohse erwiderte lachend: „Wir lernen eben miteinander und voneinander.“
Christian Segmehl sorgte zwischen den einzelnen Gesprächsabschnitten mit seinen Improvisationen für Klangerlebnisse der Meisterklasse, und Benjamin Sigg steuerte mit Texten von Günter Kuhnert, Mascha Kaléko und Dorothee Sölle die passgenauen Gedanken bei.