Wir haben mutig Zäune eingerissen
Die Sonne scheint, in der Ferne glänzen schneebedeckte Berge, und entlang der Argen breiten sich Blumenteppiche aus. Ein Bild wie zum Auftakt der Gartenschau im April, nur etwas gedämpfter. Am Sonntag, 6. Oktober 2024, hieß es Abschied nehmen von einem 164 Tage währenden Open-Air-Festival, das die Wangener Kirchen unter dem Motto „Sei unser Gast“ vielseitig, engagiert, ideen- und erfolgreich mitgestaltet hatten. Im nächsten Jahr wollen sie mit einer „Sommerkirche“ an die positiven Erfahrungen anknüpfen. Lesen Sie hier den Bericht von Barbara Waldvogel zum Abschlusstag der Kirchen auf der Landesgartenschau:
Die Bilanz: 27 ökumenische Sonntagsgottesdienste mit mehr als 20 000 Besuchern, 140 Mittagsgebete mit über 5000 Teilnehmenden, 1300 Stunden einladende Präsenz im „Garten der Kirchen“ und rund 20 000 Euro Spenden, die je zur Hälfte an die Wangener Nachbarschaftshilfe und an das Projekt „Brücke - Hilfe für Cherson“ gingen. Mit großer Dankbarkeit und Freude blickten Pfarrer Claus Blessing, Pfarrerin Elisabeth Jooß und Pastor Stefan Schörk stellvertretend für alle Mitwirkenden beim Abschluss-Gottesdienst am Erntedankfest mit mehr als 1000 Gästen, darunter auch OB Michael Lang, auf die vergangenen Wochen zurück. Die Verantwortlichen hätten selbst über die Dynamik gestaunt, die sich rund um die kirchlichen Angebote entwickelte – das wurde immer wieder betont.
„Einheit in großer versöhnter Vielfalt wurde gelebt“. Pfarrer Blessing zitierte den emeritierten Kardinal Kasper und betonte, die ACK in Wangen habe sich bei den Vorbereitungen nicht zerrieben an der Frage, was nicht gehe, sondern man habe sich darauf konzentriert, was möglich war. Tatsächlich sei es dann weit mehr gewesen als erwartet. „Es war Gottes Heiliger Geist am Werk.“ Und das solle Mut machen, den eingeschlagenen gemeinsamen Weg in Wangen weiterzugehen.
Das wertvolle ökumenische Miteinander betonte auch Pastor Schörk. Die Landesgartenschau habe die Freiheit geschenkt, kirchliche Mauern zu verlassen und Gott zu den Menschen zu bringen. Es sei eine neue Gemeinschaft entstanden. Kirche habe sich frei, luftig, frisch, durchlässig, experimentell und abwechslungsreich präsentiert. Und da man nicht nur an sich selbst denken, sondern mit anderen teilen soll, wurde für diesen Gottesdienst um Lebensmittelspenden für die Tafeln in Wangen gebeten. Der Erfolg ließ nicht auf sich warten: Es mussten zusätzliche Tische aufgestellt werden, um all die Gaben ablegen zu können. Auch die Kollekte des Tages ging an die Tafeln.
„Der Mensch war bei uns Gast“, sagte Pfarrerin Jooß, egal, wie er das Angebot der Kirche wahrgenommen habe. Am Beispiel eines Farmers in Australien brachte sie auf den Punkt, wie Kirche heute gelingen kann. Er halte seine Herde nicht mit einem Zaun zusammen, sondern mit einer Wasserstelle, zu der die Tiere zurückkehren, wenn sie durstig sind. „Wie viele Zäune haben wir in den letzten 500 Jahren aufgebaut, um unsere jeweiligen Herden zusammenzuhalten. Bis heute zählen wir krampfhaft unsere Tierchen und merken trotzdem, dass es immer weniger werden. Alle Zäune helfen da nicht weiter“. Aber auf der Gartenschau sei etwas anderes passiert. „Hier haben wir unsere Zäune mutig eingerissen und eine gemeinschaftliche Wasserstelle gegraben. Und wir konnten staunen über die bunte Herde, die sich da an der Wasserstelle immer wieder eingefunden hat“. Diese verschiedenen Menschen seien dann wahrhaft zu Gottes Boten geworden. Zu Engeln der Freundlichkeit, die ein Lächeln schenkten. Zu Engel der Dankbarkeit, die das Herz mit Glück erfüllten. Zu Engeln der Geschichten, die das Ohren verwöhnten. Und zu Engeln der Großzügigkeit, die das Spendenkässchen füllten. „Lasst uns neue Formen finden, um Wasserstelle zu sein, über dieses Jahr hinaus!“
Der Gottesdienst, musikalisch einfühlsam gestaltet vom Kirchenchor St. Martin unter Leitung von Georg Enderwitz und durch brillante Trompetensoli von Hermann Ulmschneider wunderbar begleitet, endete mit einem herzlichen Dank an alle, die zum großen Erfolg der kirchlichen Angebote beigetragen hatten – und mit einer Einladung zu Kässpätzle im „Garten der Kirchen“. Dort gab es zudem noch einen himmelblauen Regenschirm, und die Stadt lud die Mitarbeitenden ein, sich im Goldenen Buch einzutragen. In ihren Grußworten betonten die Dekane Ekkehard Schmid (kath.) und Martin Hauff (ev.), heute sei kein Punkt, allenfalls ein Doppelpunkt gesetzt worden. Gleichwohl sei den Akteuren auch eine Pause gegönnt. Derer gab es viele, wie die Schlange an der Essensausgabe verriet, und mit einem Blumenstrauß bedacht wurden jene, die letztlich Verantwortung getragen und das Rad am Laufen gehalten hatten: Dekanatsreferent Stephan Wiltsche, Pfarrerin Friederike Hönig, ev. Kirchengemeinderat Dirk Scharfenberger, Pastorale Dekanatsmitarbeiterin Anita Wenger und Pastoralreferent Benjamin Sigg. Eine Flasche Wein bekam Dekan Schmid überreicht, weil er mit großem Verständnis das Dekanatsteam für die Gartenschau freigestellt hatte.
Pastor Schörk warnte dann noch augenzwinkernd, Wangen könnte möglicherweise in den nächsten Wochen in eine Art Post-Landesgartenschau-Depression verfallen, aber Pfarrerin Jooß gab Entwarnung: Es geht weiter. Für das nächste Jahr ist eine ökumenische Sommerkirche geplant. Am Freitag, 29. November, steht schon das erste Vorbereitungstreffen im Terminkalender.